Mittelfeldplatz angestrebt – Mix aus “routiniert” und “grün” – Konterspiel als Erfolgsrezept

Die Saison 2009/2010 in der 2. Frauenhandball-Bundesliga Süd bringt für den TV Mainzlar, was das Personal auf dem Parkett angeht, einen nahezu kompletten Neuanfang mit sich. Gleich ein ganzes Dutzend Spielerinnen haben den Staufenberger Verein verlassen, zu den vier gebliebenen Mohikanerinnen haben sich elf mehr oder minder neue Gesichter dazu gesellt. Ein nahezu komplett umbesetztes Team soll also dem Anspruch gerecht werden, sich in jedem Fall besser zu platzieren als in der vergangenen Spielzeit, als der TVM in die Abstiegsrelegation musste, die dann jedoch ausfiel. Oberste Prämisse ist es in einer solchen Situation, erst einmal zusammen zu wachsen. Und so haben die Mainzlarerinnen in der Vorbereitung deutlich mehr Testspiele absolviert als in den Jahren zuvor. Zweimal trat man gegen den Regionalligisten Kirchhof an, dazwischen lagen zwei Turniere. “In Allensbach sind wir auf Mannschaften getroffen, die deutlich besser eingespielt waren als wir. Das Turnier in Luxemburg war sehr gut besetzt und mit einer besseren Chancenverwertung hätten wir auch gegen Erstligisten das ein oder andere Spiel mehr gewinnen können. Das war körperlich anstrengend und o.k.”, ist Trainer Jürgen Gerlach vor allem mit der Reise nach Bascharage zufrieden.
“Wir sind die Vorbereitung etwas anders angegangen als normal, damit auch die jüngeren Spielerinnen eine Chance bekommen. Es ging zunächst darum, eine Willensstruktur ins Team zu bringen. Wir waren viel im Wald, bis jetzt hatten wir noch kein Krafttraining. In spielerischer Hinsicht war es wichtig, dass die Spielerinnen, die zuletzt wenig gespielt haben – Karo (line Müller), Marina (Budecevic), Lele (Atanasoska), Laura (Schmitt) oder Vanny (Deuster) – besser reinkommen”, sieht der “Doc” den Vorteil dieser Vorbereitung darin, dass der Abstand zwischen jungen und erfahreneren Kräften kleiner geworden sei und “kein Absturz der Jungchens erfolgt ist”. Allerdings verfolge man eine “Zwölf-Wochen-Planung” und sei daher erst bei “60 bis 70” Prozent angekommen.
Das Zusammenführungskonzept verschiedener Hierarchien ist besonders im Torwartbereich von Bedeutung. Zur Verfügung stehen dem Chefcoach und seinem Co. Eckhard Weber hier “routiniert – jung – ganz jung” (Gerlach). Vilma Gainskyte ist als litauische Nationalspielerin mit Bundesligaerfahrung die klare Nummer eins. Dennoch ist den TVM-Verantwortlichen nicht Angst und Bange, wenn diese ein schlechten Tag erwischt. Denn: “jung” Meike Tornow “hat sich sehr gut entwickelt” und “ganz jung” Ann-Cathrin Giegerich “ist sehr talentiert und trotz ihres Alters und als Junioren-Nationaltorhüterin schon recht erfahren”.
Im Rückraum sind von Jahrgang 1979 der ebenfalls Internationalen aus Litauen, Ruta Latakaite, bis zur 1991 geborenen Licher A-Jugendlichen mit Doppelspielrecht, Desiree Euler, sämtliche Altersklassen und Entwicklungsstufen vertreten. Große Hoffnungen, vor allem wegen ihrer guten Finte und ihrer Deckungsstärke, setzt Gerlach auf Marina Budecevic, die er 2004/05 schon einmal beim TV Lützellinden unter seinen Fittichen hatte.
“Platz fünf bis acht ist schon realistisch” Jürgen Gerlach, TV Mainzlar “Bei Marina überwiegt noch die Angst”, ist die gebürtige Serbin nach ihrer schweren Schulterverletzung noch nicht zu 100 Prozent einplanbar – ganz im Gegensatz zu Gainskyte nach ihrem Kreuzbandriss (“Sie ist weiter, als wir das gedacht hätten”). Insofern ergibt sich noch kein klares Bild, in welche Formation am meisten Vertrauen gesetzt wird. “Wir haben keinen richtigen Shooter, dafür aber, weil wir viel mehr alle zusammen trainieren können, viele Möglichkeiten – mit Laura als Linkshänderin auch ganz andere taktische. Ob jetzt Ruta, Nina (Hess) oder auch Soffi (Bepler) auf der Mitte spielt, hängt auch von der Deckung des jeweiligen Gegners ab”, so der Orthopäde mit der Lizenz zum Trainieren.
Auf den Flügeln verfügt man in Mainzlar mit den zunächst dort wohl gesetzten Sophia Bepler (links) und Andrijana Atanasoska (rechts) über zwei außerordentlich schnelle Außenspielerinnen. Dahinter brennen Eva Tuschen (“Sie hat in der Jugend im Rückraum gespielt, wird bei uns aber auf Rechtsaußen spielen, weil sie doch sehr klein ist”) und Atanasoskas Schwester Matilda auf Einsatzzeiten, die jedoch auch eine Option für den Kreis ist. Denn hier scheint man auf den ersten Blick und zumindest den Namen nach etwas dünner besetzt. “Bei Karo ist es etwas problematisch, dass sie zuletzt bei den Rhein-Main-Bienen wenig und in einem etwas komischen System gespielt hat. Sie ist schon sehr schnell geworden, machmal fehlt noch etwas das Verständnis. Aber wenn sie den Ball erst mal hat, macht sie das sehr gut”, glaubt auch der Coach, dass die Abstimmung zwischen Rückraum und Kreis noch etwas Zeit braucht. Die braucht vermutlich auch noch die junge Kreisläuferin Katharina Wagner, die “vor allem in der Deckung noch sehr grün” sei. Aber auch sie sei in Sachen Tempo schon ein ganzes Stück herangekommen, genauso wie die Rückraumtalente Desiree Euler und Vanessa Deuster (“körperlich viel robuster und besserer Rhythmus”), die sich prima weiterentwickelt hätten.
Und wie wird die neue Mannschaft des TV Mainzlar künftig spielen? Die “Langen” für die einfachen Tore aus der zweiten Reihe fehlen nach dem Abschied von Anita Koljanin wieder. Und so wird im Angriff viel von einem gut funktionierenden Tempospiel nach vorne abhängen. “Wir haben einen Torwart, der den langen Pass nicht nur gut spielt, sondern den Konter auch liebt. Die Mannschaft ist fitter, wir müssen aber noch die Abstimmung verbessern, eben wissen, wer was macht”, fordert der Biebertaler zudem “mehr Disziplin im Positionsangriff”. Im Deckungszentrum könnten Latakaite und Budecevic, aber auch Euler “die Akzente setzen”, wobei es auch hier noch etwas an der Absprache fehle. Das bevorzugte Abwehrsystem wird zunächst die 6:0-Formation sein, an der 3:2:1 werde aber weiter fleißig im Training gearbeitet.
Es gibt also noch die ein oder andere Baustelle, an der gebastelt werden muss, um das vorerst ausgegebene Saisonziel “zwischen Platz fünf und acht” zu erreichen. “Ich denke, das ist schon realistisch, ob es wirklich so kommt, wird die Entwicklungstendenz zeigen”, glaubt Jürgen Gerlach. “Auf jeden Fall haben wir eine positive Mannschaft, die überzeugt von sich ist. Jeder spricht deutsch, es gibt keine Grüppchen mehr, das passt alles ganz gut zusammen. Sportlich müssen wir von Woche zu Woche schauen und stetig technisch besser und schneller werden.”