Die nunmehr 10. Saison der Frauen Bundesliga ist für den TV 1905 Mainzlar Anlaß und Freude, einmal einen Rückblick vorzunehmen und dabei gleichzeitig auch nach vorn zu schauen. Als im April 1990 der Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse feststand, hatte sich innerhalb weniger Jahre eine Entwicklung vollendet, die so eigentlich niemand vorhersehen konnte.

Frauenhandball wurde im TV 1905 Mainzlar schon lange gespielt, ebenso lange jedoch ausschließlich unter Hobby und Freizeit als Leitmotiv. Erst als Mitte der 80er Jahre Horst Kunz das Amt des Trainers übernahm, ging es steil aufwärts. Ihm kam dabei zugute, daß vorher schon Horst Kern sich mit außerordentlichem Engagement der Jugendarbeit angenommen hatte, so daß eine junge schlagkräftige Mannschaft um Cornelia Kern entstanden war. Lohn der Mühe war zunächst im Mai 1987 der Gewinn der Hessenmeisterschaft und damit der Aufstieg in die Regionalliga. Dort hielt die Mannschaft es dann nur ein Jahr aus und schaffte es gegen die Damen aus Alsweiler (Saarland) auf Anhieb, Südwestdeutscher Meister zu werden, was gleichzeitig den Aufstieg in die 2. Bundesliga Gruppe Süd bedeutete.

Vielleicht ging in dieser Zeit alles ein bißchen zu schnell. Waren eben die Gegner bei Auswärtsspielen noch in Kassel oder Bad Hersfeld zu Hause, so hieß es jetzt von Regensburg bis Berlin das gesamte Deutschland zu durchqueren. Den Verantwortlichen wurde durch den Aufstieg auch schnell klar, daß – um mithalten zu können – es nicht ausreichte, nur auf Spielerinnen aus dem eigenen Umfeld zurückzugreifen. Doch mit Elke Lang und Petra Feye fanden die notwendigen Verstärkungen den Weg zu uns. Am Ende des ersten Bundesligajahres (Mai 1989) stand ein vierter Tabellenplatz zu Buche. In der darauffolgenden Runde hatte sich die Mannschaft dann nicht nur vollständig an die Luft der Bundesliga gewöhnt, sondern konnte noch einmal zulegen, so daß im Frühsommer 1990 der Aufstieg in die 1. Bundesliga, die höchste deutsche Spielklasse, perfekt war.

Groß war zu damaligen Zeitpunkt die Begeisterung, groß aber auch das Rätselraten, wie es denn weitergehen sollte. Mußte bisher von Jahr zu Jahr leistungsmäßig immer etwas zugelegt werden, aber eben immer etwas, so wurde nun ein großer Sprung notwendig. In dieser Situation kam es uns entgegen, daß einige Monate vorher die damals beste deutsche Handballspielerin, Elena Leonte, von ihrem früheren Verein weggegangen war und aus beruflichen Gründen eine neue sportliche Aufgabe im Umfeld von Gießen suchte. Zusätzlich konnte mit Isabella Tataruch vom TV Lützellinden eine weitere Nationalspielerin gewonnen werden, so daß eine Mannschaft zusammenkam, die zumindest für den Klassenerhalt sorgen sollte.

Das erste Spiel im September 1990 fand dann zu Hause gegen die damalige Spitzen-mannschaft vom TuS Walle Bremen statt (die Mannschaft ist heute vollkommen von der Bildfläche verschwunden). Obwohl die Begegnung mit 24:18 verloren wurde, schrieb damals der Bremer Weserkurier “Alle waren sich am Ende einig, auch der TV Mainzlar wird in der Bundesliga noch für Furore sorgen können”.

Nun im ersten Jahr wurde daraus nicht allzuviel. Wäre es nicht gelungen, im Laufe der Saison die tschechische Ausnahmespielerin Monika Ludmilova nach Mainzlar zu holen, es hätte nicht gut um uns gestanden. Die Konsequenz war, zumindest im Tor nach weiteren Verstärkungen zu suchen und hier wurden wir mit Dorthe Wiedenhöft ebenfalls fündig. So verlief die zweite Saison, wegen der Vereinigung der beiden deutschen Handballverbände mit einem etwas ungewöhnlichen Spielmodus versehen, wesentlich erfolgreicher. Wir wurden Teilnehmer an der Play off Runde und mußten uns dem späteren Meister Tus Walle Bremen nach Hin- und Rückspiel nur mit einem Tor Differenz geschlagen geben.

Da der Kern der Mannschaft zusammenblieb, konnte auch die darauf folgende Saison erfolgreich mit einem Mittelfeldplatz bewältigt werden. Aber nicht nur die Mannschaft, sondern auch die einzelnen Spielerinnen sorgten für Erfolge. Elena Leonte nahm mit der deutschen Nationalmannschaft sowohl an der Weltmeisterschaft in Südkorea (1990) als auch an den olympischen Spielen in Barcelona (1992) teil. Die Mannschaft wurde in beiden Fällen jeweils vierter. Sie wurde in dieser Zeit beim TV 1905 Mainzlar dreimal zur “Handballerindes Jahres” gewählt und dreimal Torschützenkönigin der gesamten Bundesliga.

Die bisher erfolgreichsten Jahre waren die Saison 1993/94 sowie 1994/95. Im Sommer 1994 nahmen wir an der Pokalrunde (letzten vier Mannschaften) teil und legten damit auch den Grundstein für den erstmaligen Einzug in den Europokal. 1993 war mit der Kreisläuferin Lydia Wesche eine weitere überdurchschnittlich gute Spielerin aus Berlin zu uns gekommen und die Mannschaft von Wolfgang Lowak auch sehr gut trainiert, konnte sich durch entsprechende Leistungen etablieren.

Im Herbst 1994 folgte dann, jetzt mit dem neuen Trainer Dr. Tomas Kutka, der erste Auftritt im Europapokal. Denjenigen die dabei gewesen sind, wird das Spiel in Mazedonien gegen die Mannschaft von Skopije vor über 4000 Zuschauern sicher noch in Erinnerung sein. Abgeschlossen wurde die Saison mit dem 4. Platz in der Meisterschaft, so daß auch im Jahr darauf die Teilnahme am Europapokalwettbewerb anstand. Hier erwies sich dann die spanische Mannschaft von San Sebastian als nicht zu überwindende Hürde.

In den letzten Jahren zeigten sich dann in gleicher Weise die Stärken, aber auch die Schwächen der Mainzlarer Mannschaft. Eine Stärke ist sicherlich die Kontinuität. Leistungsträger bleiben in Mainzlar. Dies gilt seit nunmehr 9 Jahre für Monika Ludmilova, aber auch für Elena Grölz (früher Leonte) die bis zu dem familiär bedingten Ende ihrer Karriere bei uns spielte, um nur zwei Beispiele aufzuzeigen, denen jederzeit weitere hinzugefügt werden könnten. Die Verbundenheit mit unserem TV läßt sich aber auch daran ermessen, daß die in 1997 nach Australien gegangene Lydia Kahmke geb. Wesche sich nach verletungsbedingt sehr schwieriger Situation bereit fand, aus Sydney für 6 Wochen zu kommen und erfolgreich auszuhelfen.

Schwächen bestehen darin, daß wir nicht über die Mittel verfügen, Spielerinnen, die nicht aus persönlichen oder beruflichen Gründen an den mittelhessischen Raum gebunden sind, zu uns zu holen oder zu halten. Dies führt dazu, daß wir nie auf eine auf allen Positionen gleichmäßig gut besetzte Mannschaft hatten.

Für die kommende Saison hoffen wir jedoch, hier Abhilfe zu schaffen. Der Stamm der Mannschaft mit Monika Ludmilova, der letztjährigen Torschützenkönigin Emilia Luca, Petra Cumplova und allen anderen bleiben bei uns. Heike Reinhardt, in der vorletzten Runde noch eine nicht wegzudenkende Stütze, wird nach ihrer Mutterschaft die Handballschuhe wieder anziehen. Mit Sylvia Harlander (Bayer Leverkusen) und Katharina Klös im Tor, sowie Peggy Treek (TV Lützellinden) und Gitta Politt (Hessen Hersfeld) kommen ausserdem weiter Spielerinnen hinzu. Mit Dirk Leun konnte ein junger, aber sicherlich ehrgeiziger Trainer verpflichtet werden. Sportlich sind also die Weichen gestellt. Zudem werden zumindest Monika Ludmilova und Petra Cumplova auch für die tschechische Nationalmannschaft an der Weltmeisterschaft in Norwegen im Dezember dieses Jahres teilnehmen.

Wichtig ist auch, daß unsere Sponsoren uns weiter “die Treue” halten. Dies gilt für die Licher Privatbrauerei Ihring Melchior ebenso, wie für den Batteriehersteller Sonnenschein oder die Fa. C.B.K. Stapler GmbH. Neue Sponsoren haben zudem ihr Engagement zugesagt. Hierzu gehören etwa die Firmen Mengin Heizöl in Linden oder die Zeitarbeitsfirma Keller GmbH mit Niederlassung in Gießen. Trotzdem bleibt hier noch viel zu tun. Nur durch weitere Engagements wird es möglich sein, die sportliche Entwicklung eines ganzen Jahrzehnts in den kommenden Jahren nicht nur zu stabilisieren, sondern erfolgreich weiterzuentwickeln.