Der TV Mainzlar visiert die Spitzengruppe an – Dr.Jürgen Gerlach: „Es muss wirklich alles passen“ – Rückraum als Schwachstelle?
Die passende Kleidung tragen die Handballerinnen vom TV 05 Mainzlar schon. In einem modischen bordeauxroten Dress wird die junge Truppe zu einem echten Blickfang.
Am kommenden Sonntag, wenn bei Bundesligaabsteiger Frisch Auf Göppingen die neue Saison der zweiten Handball-Bundesliga Süd startet, wollen die von Dr. Jürgen Gerlach trainierten Mädchen nicht optisch, sondern auch sportlich positiv in Erscheinung treten. Die Schwäbinnen gehören gemeinsam mit dem BSV Zwickau und TuS Weibern zu den Topfavoriten für den Aufstieg in die belle Etage des deutschen Frauenhandballs. Für den Trainer des TVM ist der Start gegen die Topteams Göppingen und Zwickau eher ein Vor- als ein Nachteil: „Nach diesen beiden Spielen wissen wir genau, wo wir stehen. Das ist etwas anderes als in der Vorbereitung. Es geht gleich richtig los.“ Doch wie stark die Mannschaft aus Staufenberg tatsächlich ist, kann selbst der erfahrene Coach nicht mit genauer Sicherheit sagen. Denn trotz einer ordentlichen Vorbereitung sind einige Fragen offen, deren Beantwortung erst in den kommenden Wochen erfolgen kann.
Mitentscheidend für die Leistungsfähigkeit während der gesamten Saison, wird die Entwicklung der jungen Katerina Ruzickova sein. Die tschechische Auswahlspielerin kam auf Empfehlung ihrer Tante Monika Ludmilova von ihrem Heimatklub DHK Zora Olmütz ins Mittelhessische und soll aus dem Rückraum für Durchschlagskraft sorgen. Doch noch fehlt diese im Mainzlarer Spiel, wie Dr. Gerlach nach den Trainingsspielen in der Vorbereitung zugeben muss: „Wir haben noch Probleme im Rückraum. Uns fehlt das Durchsetzungsvermögen. Unser Neuzugang Ruczickova ist sehr talentiert und noch sehr jung. Für unser Spiel ist sie aber noch zu langsam und die Deckung, wie sie hier in Deutschland gespielt wird, ist sie noch nicht gewohnt.“ In ihrer Heimat wurde Ruzickova kürzlich zum Talent des Jahres gekürt. Aufgrund ihres Aussehens und ihrer handballerischen Veranlagung liegt der Vergleich zu ihrer Tante Ludmilova nahe. „Sie hat sicherlich die Möglichkeiten irgendwann in die Fußstapfen von Moni zu treten. Aber ich denke, man sollte sie jetzt noch nicht mit ihr vergleichen. Das wäre unfair. Sie braucht noch ein bisschen Zeit um sich zu entwickeln. Ich vergleiche sie mit Monika, als sie nach Deutschland kam. Katerina möchte nichts falsch machen. Auch sie musste sich erst zurechtfinden und hat sich dann peu á peu gesteigert“, sagt Mainzlars Manager Dieter Mackenrodt, der mit Monika Ludmilova Sohn Maximilian hat und sich um die Belange Ruzickovas kümmert. „Sie kann im Laufe der Saison eine Verstärkung werden. Man wird sehen, wie sie sich zurechtfindet. Sie bringt sicher viele Qualitäten mit, muss aber noch schneller schalten und an ihren Fähigkeiten in der Deckung arbeiten“, sagt Gerlach, der ihre Fortschritte außerhalb des Spielfeldes durchaus zu schätzen weiß. Täglich paukt Ruzickova im akademischen Auslandsamt vier Stunden deutsch und arrangiert sich sehr gut mit ihrem neuen Umfeld. Dasselbe gilt für Jonna Jensen. Fragt man Dr. Gerlach nach der leistungsstärksten Spielerin der Vorbereitung, kommt wie aus der Pistole geschossen der Name der Krofdorferin, die von der TSG Ober-Eschbach nach Mainzlar kam. „Jonna Jensen hat einen guten Eindruck gemacht. Sie ist schnell und versteht unser Spiel aus dem Effeff. Die ersten sechs, sieben Spielerinnen sind enorm wichtig für uns, denn dahinter klafft ein Loch. Wir können nur dann oben mitspielen, wenn wir von Verletzungssorgen verschont bleiben“, meint Gerlach, der auch die handballerischen Fähigkeiten der Mazedonierin Andrijana Atanasoska auf der rechten Außenbahn positiv hervorhob. Ferner stehen auf den Außenpositionen starke Spielerinnen im Mainzlarer Aufgebot. Die pfeilschnelle Sophie Bepler erschien in der letzten Runde als starke Newcomerin und muss nun Konstanz in ihr Spiel bringen. Auf der linken Außenbahn hat das Trainergespann Gerlach/Weber mit Gina Duketis (kam aus Ober-Eschbach) eine weitere Alternative. Im Tor hat sich die personelle Situation derweil wesentlich verbessert. Nicole Dauth ist nach wie vor die Nummer eins. Doch nun ist hinter der ehemaligen Kleenheimerin ein echter Konkurrenzkampf ausgebrochen. Christina Krüger, die vom Nord-Zweitligisten VfL Wolfsburg nach Mittelhessen wechselte, muss sich mit dem ehrgeizigen Eigengewächs Meike Tornow auseinandersetzten. Dabei scheint die Niedersächsin schlechte Karten zu haben: „Meike hat derzeit die Nase vorne und wird zunächst die Nummer zwei sein. Christina hat die Verletzung in der Vorbereitung etwas zurückgeworfen“, sagt Gerlach zu der wichtigen Position zwischen den Pfosten. Auch wenn die Truppe bislang als verschworener Haufen und kollektiv gefestigt auftritt, gibt es eine Spielerin, die aufgrund ihrer Führungsqualitäten hervorsticht. „Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, für ein gutes Klima innerhalb der Mannschaft zu sorgen. Ich will oben mitspielen und etwas erreichen“, sagt Nina Hess. Die 24 –jährige Englisch- und Sportstudentin an der JLU Gießen ist nicht auf den Mund gefallen und hatte einen großen Anteil, dass die Rückrunde des TV Mainzlar so gut verlief. Die Spielmacherin macht keinen Hehl daraus, dass sie gerne aufsteigen möchte.
Doch über die konkrete Zielsetzung der Mannschaft gibt es innerhalb des Vereins einige Differenzen. Zwar hofft der Trainer insgeheim auf einen guten Saisonverlauf mit überraschenden Ergebnissen zugunsten des TV Mainzlar, doch die optimistische Haltung von Geschäftsführer Horst Münch, der einen Platz unter den ersten vier Teams und damit die Teilnahme an den Play-Off Spielen anpeilt, teilt nicht jeder. Dieter Mackenrodt: „Dieses Ziel ist zunächst etwas utopisch. Es ist wichtig, dass wir so früh wie möglich nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Natürlich ist die Mannschaft besser als im Vorjahr, denn neben den erfahrenen Neuzugängen haben sich unsere jungen Talente unter Jürgen Gerlach sehr stark entwickelt. Der sechste Platz wäre ein Erfolg.“ Doch auch in Mainzlar weiß man um die bedenkliche Entwicklung im deutschen Frauenhandball. Vor der Runde haben zahlreiche Erstligaspielerinnen ihre Klubs ins Ausland verlassen. Aufgefüllt wurden die Kader vorrangig mit Zweitligaspielerinnen. Die logische Konsequenz: auch die zweite Bundesliga dürfte nun an Qualität einbüßen. „Das ist eine durchaus bedenkliche Entwicklung. Auf der anderen Seite ist es auch eine Chance für die zweite Liga. So können neue Talente herangeführt werden“, sagt Gerlach, der selbst auf das Konzept der Jugend setzt. Vor allem Olivia Reeh erscheint dabei als hoffnungsvolle Nachwuchskraft, sofern sie frei von Verletzungen bleibt. Die Spielmacherin verfügt über ein gutes Auge und ein beachtliches technisches Reservoir. Mit der A- Jugend des TV Lützellinden wurde sie 2006 Deutscher Meister. Nach einem Eingewöhnungsjahr sollen nun auch in der zweiten Liga die Erfolge kommen. Gemeinsam mit Nina Hess, die in der Winterpause der vergangenen Saison aus Göppingen nach Mittelhessen kam, bildet sie im Rückraumzentrum ein feines Duo. Allerdings ragen bei beiden Spielerinnen spielerische Qualitäten hervor. Die Fähigkeiten eines Shooters besitzen beide nicht. Diese Rolle übernimmt dann schon eher die zierlich wirkende Anna Lisowska. Physisch gehört die polnische Nationalspielerin zu den stärksten Spielerinnen im Kader. Lisowska, deren Ehemann in der Vorbereitung die Torhüterinnen trainierte, ist zudem ein echtes Schlitzohr und aus diesem Grund besonders wichtig für die junge, unerfahrene Truppe.
Mit einem guten Wurf ist auch Daniela Wolff ausgestattet, die aber 2006/2007 nicht so oft zum Zug kam. Die ehemalige Zwickauerin steht zunächst im zweiten Glied. Gute Chancen aus diesem vorzurücken hat Svenja Jänicke. Die Niederkleenerin, die auf der Butzbacher Weidigschule derzeit an ihrem Abitur bastelt, könnte in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Bei der Mannschaftspräsentation beim Hauptsponsor, der Licher Brauerei, lobte der Trainer die 19-jährige: „Sie hat den größten Sprung gemacht. Ihre Entwicklung ist durchweg positiv und ich glaube, dass wir an ihr noch viel Freude haben werden. Vor allem körperlich hat sie sich enorm entwickelt.“
Überhaupt steht das Wort Entwicklung im Zentrum der Mainzlarer Bestrebungen. Sich als Mannschaft weiterentwickeln, die jungen Spielerinnen fördern und das Umfeld professionalisieren – all diese Komponenten sollen in der Saison 2007/2008 gepflegt werden. Während Dr. Gerlach die sportlichen Bereiche gut im Griff hat und in den Vorbereitungsspielen ordentliche Resultate erzielen konnte, kümmert sich Marketingchef Mackenrodt um die Vermarktung. „Wir möchten Mainzlar zu einer attraktiven Marke in der Region entwickeln. Sportlich ist es unser Ziel langfristig als die Nummer eins im mittelhessischen Frauenhandball in Erscheinung zu treten. Dazu gehört auch ein gutes Rahmenprogramm“, sagt Mackenrodt, der auch als Hallensprecher fungiert. Insgesamt finden 400 Zuschauer in der Clemens-Brentano-Europaschule in Lollar platz. Ganze 250 Dauerkarten wurden vor der Saison abgesetzt. Die Halle wird demnach stets voll sein!
„Wir freuen uns, dass wir so viele Saisonkarten abgesetzt haben. Wir gehen davon aus, dass die Halle der CBES in der kommenden Runde fast immer ausverkauft sein wird“, freut sich Mackenrodt über die positive Resonanz und die Euphorie im Umfeld. Zweifelsohne hat dieses das Mainzlarer Konzept angenommen. Aber auch die Erwartungen sind gestiegen und so verwundert es nicht, dass bereits hinter vorgehaltener Hand über die Bundesliga nachgedacht wird. „In dieser Saison wird das sehr schwierig sein. Es müsste wirklich alles passen, um in die Play-Offs zu kommen. Der Kader ist an sich zu dünn besetzt. Es darf niemand ausfallen“, sagt Gerlach. Für den Fall, das alles optimal läuft haben die Staufenberger bereits ihre Fühler ausgestreckt. Bei einem Erreichen der Play-Offs, könnte die Giessener Sporthalle Ost zur Austragungsstätte der Spiele werden. Gießens Oberbürgermeister Haumann bestätigte eine lose Anfrage aus Mainzlar. Unverkennbar: der TV Mainzlar will in den nächsten zwei Jahren zurück in die Bundesliga. Die Weichen werden in den nächsten Wochen gestellt!

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