Nina Hess findet in Mainzlar zweite Heimat
Leistungsträger bei Dr. Jürgen Gerlach
Anfang der 90er Jahre stand ein siebenjähriges Mädchen mit glänzenden Augen und einem breiten Lächeln im Gesicht in der Gießener Sporthalle Ost. Fast ehrfürchtig betrachtete sie ein Spiel der hessischen Spitzenhandballerinnen des TV Lützellinden – der Mannschaft von Trainerikone Dr. Jürgen Gerlach.
Just in diesem Moment fasste sie einen ehrgeizigen Entschluss, was symptomatisch für ihren Charakter ist. »Dort unten will ich auch einmal spielen«, sagte die damalige Jugendspielerin des TSV Lohr zu ihren Eltern. Fortan behielt sie ihren Traum im Gedächtnis und arbeitete selbstbewusst, mit Fleiß und Härte an dessen Erfüllung. Mit 16 Jahren zog sie bei ihren Eltern aus, um im nordhessischen Kirchhof bei der dort heimischen SG 09 Erfahrungen zu sammeln.
»Alleine wohnen, einkaufen, jeden Tag Handball spielen und Abitur machen – diese Selbständigkeit hat mich geprägt«, sagt Hess, die ihren Traum mittlerweile beim TV Mainzlar in der 2. Liga weiterlebt. Die Früchte ihrer intensiven Trainings-arbeit erntet die Rückraumspielerin derzeit beim TVM, wo sie eine große Wertschätzung erfährt und derzeit innerhalb der Mannschaft eine Ausnahmestellung bekleidet.
»Alleine wohnen, einkaufen, jeden Tag Handball spielen und Abitur machen – diese Selbständigkeit hat mich geprägt«, sagt Hess, die ihren Traum mittlerweile beim TV Mainzlar in der 2. Liga weiterlebt. Die Früchte ihrer intensiven Trainingsarbeit erntet die Rückraumspielerin derzeit beim TVM, wo sie eine große Wertschätzung erfährt und derzeit innerhalb der Mannschaft eine Ausnahmestellung bekleidet.
Das „Lohrer Hallenmädchen“, wie das Hallenmagazin der SG 09 Kirchhof einst titelte, dirigiert, organisiert und hält zusammen. Hess ist auf und neben dem Platz der Dreh- und Angelpunkt. Und das sehr gerne, wie sie sagt. Und wenn Nina Hess über ihre große Leidenschaft Handball spricht und ihr Funkeln in den Augen beachtet, muss man ihr das auch glauben. Vor 17 Jahren war es noch ein vager Traum, heute ist es täglich Brot: Hess spielt unter Dr. Jürgen Gerlach – und das mit großem Erfolg. Zwar entspricht die Sporthalle der Clemens-Brentano-Europa-schule in Lollar – die Heimspielstätte des TV Mainzlar- nicht dem Glanz, der Arenen, in denen Hess mit ihren früheren Vereinen gespielt hat, doch mit ihrem sympathischen Lächeln auf den Lippen erläutert die 24-Jährige, dass es nur noch Nuancen sind, die sie vom großen Glück trennen. »Wo ich spiele, muss ich mich wohlfühlen. Das ist die Voraussetzung. Die ist hier gegeben«, vermittelt Hess mit fester Stimme. Seit gut einem Jahr lebt sie nun in Gießen und hat sich mit ihrer offenen, kommunikativen und leistungsorientierten Art viele Freunde gemacht. Ob an der Universität oder in der Mainzlarer Mannschaft. Überall ist sie gerne gesehen und beliebt. Vor allem ihre Disziplin und die Fähigkeit ohne Alkohol und Zigaretten immer fröhlich und beschwingt daherzukommen, werden ihr hoch angerechnet. „Für uns ist sie ein Glücksfall, denn sie ist im Stande die Mannschaft mitzureißen, Impulse zu vermitteln und ihren Ehrgeiz auf andere zu übertragen. Obwohl sie nur 1,63 Meter groß ist, verfügt sie über eine sehr gute Übersicht und einen starken Wurf“, spart ihr derzeitiger Trainer, der nicht unbedingt für Lobeshymnen dieser Art bekannt ist, nicht mit Lob.
Durch ihre ausgeprägten Fähigkeiten ein Team zu führen, ist sie beim derzeitigen Tabellendritten der zweiten Bundesliga Süd nicht mehr weg zu denken.
„Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht die Mannschaft zu führen. Mir ist das sehr wichtig, da ich gerne diese Rolle einnehme. In Oldenburg waren sehr viele gute individuelle Spieler im Kader, über Göppingen brauchen wir nicht zu sprechen. Das große Plus in Kirchhof war die mannschaftliche Geschlossenheit. Hier passt alles, deswegen sind wir so erfolgreich“, so die waschechte Fränkin, die mit ihrer Mannschaft im DHB-Pokal gegen den Deutschen Meister vom 1.FC Nürnberg nur knapp verlor. „Dieses Spiel hätten wir auch gewinnen können. Das ärgert mich“, zeigte sich die technisch versierte Rückraumspielerin nach dem Ausscheiden enttäuscht, während sich ihre Mitstreiterinnen über eine ordentliche Darbietung freuten.
Typisch Nina Hess! Nach einem guten Abitur (1,5), das sie in Melsungen abgelegt hat, reiste sie durch Deutschland. Aber nicht zum Spaß, sondern mit der festen Absicht, den Verein zu finden, der ihrer sportlichen Entwicklung am zuträglichsten ist. Bei verschiedenen Klubs gastierte Hess, um ein Probetraining zu absolvieren. In Oldenburg endete die Reise. Beim VfL schienen die Perspektiven für die passionierte Malerin und Skifahrerin günstig zu sein. »Dort hatte ich wichtige Lehrjahre. Denn dort konnte ich mich in einem professionellen Umfeld entwickeln und in der ersten Liga dazulernen. Ich hatte viele Spielanteile«, erinnert sich Hess, die nach drei Jahren in Niedersachsen den Entschluss fasste, den nächsten Schritt zu wagen und ihr Glück bei einem Auslandssemester in Nottingham zu suchen. Vier Monate verbrachte die Sport- und Englischstudentin in der Stadt von Robin Hood und den legendären Höhlenanlagen. »Das war eine Zeit, die ich nie vergessen werde. Es war ein Traum«, schwärmt die Allrounderin, die in Oldenburg auch auf der Linksaußenposition geformt wurde. Doch eines vermisste Hess in England schmerzlich: ordentliches Training. »Zuerst dachte ich, es geht nicht ohne Handball. Das überlebst du nie! Aber zum Glück habe ich eine Mannschaft an der Uni gefunden, so dass ich wenigstens zweimal in der Woche trainieren konnte«, erzählt sie. Kein Wunder, dass bei ihrer Zielstrebigkeit das folgende Engagement beim Erstliga-Aufsteiger Frisch Auf Göppingen gründlich in die Hose ging. Denn in Schwaben herrschte das, was Hess so gar nicht leiden kann: »laissez faire«. »Meine Mitspielerinnen wollten Fußballspielen und ich wäre am liebsten im Stadion gerannt, bis ich nicht mehr konnte«, erzählt sie und fügt hinzu, dass „eine gute Ausdauer das A und O ist. Für die muss in der Vorbereitung hart gearbeitet werden. Sonst funktioniert es auch im Kopf nicht.“ Nach drei Monaten der »psychischen Qual«, die durch diese chronische Unterforderung hervorgerufen wurde, griff sie zum Telefonhörer und wählte die Nummer von Dr. Gerlach, dem Trainer des TVM, der sie schon vor der Saison nach Staufenberg holen wollte – eine richtige Entscheidung!
„Das Training von Jürgen ist wirklich der Hammer. Er ist fachlich der beste Trainer, den ich jemals hatte. Er bringt mich voran. Ich habe das Gefühl, dass ich in jeder Trainingseinheit einen Schritt nach vorne mache. Er nimmt sich zeit für jede Spielerin und will sie individuell formen.“ Die harten – manchmal sogar über-harten Übungseinheiten unter dem Meistertrainer machen sich bemerkbar. Nicht nur spielerisch hat sich die gesamte Mannschaft weiter-entwickelt, auch physisch dürfte der TV Mainzlar zu den Stärksten Teams der ersten und zweiten Bundesliga gehören. Der Trainer selbst weiß, wem er einen großen Teil diesen Erfolgs zu verdanken hat: »Nina ist eine Spielerin, die unglaublich ehrgeizig ist. Sie reißt die komplette Mannschaft mit. Sie will immer trainieren und das mit einer guten Laune. Ihr Fleiß ist beachtlich. Ihre Fähigkeiten helfen uns enorm. Sie ist sehr intelligent und ein wichtiger Baustein im Team“, sagt Dr. Gerlach, der das Kämpferherz von Hess zu schätzen weiß. Dies zeichnet die Tochter eines ehemaligen Bundesliga- Handballers des TV Großwallstadt nicht nur im Sportlichen aus. Auch an der Uni gibt sie alles.
Der große Aufwand, sich bis spät in die Nacht an den Schreibtisch zu setzen, macht sich bei ihr allmählich bezahlt. Ein Englisch-Professor fragte die angehende Lehrerin kürzlich, ob sie sich eine Laufbahn an der Justus-Liebig-Universität Gießen vorstellen könne. Der Wechsel nach Mittelhessen erweist sich für Hess immer mehr als das große Los. »Beruflich« läuft es offensichtlich bestens, und sportlich klopft das Energiebündel nach sechs Siegen in Serie mit dem TVM auf dem zweiten Platz schon jetzt an das Tor zur ersten Liga. Am vergangenen Samstag im Heimspiel gegen die HSG Bensheim/Auerbach hat der Fan des skandinavischen Tempohandball einen weiteren Schritt in diese Richtung getätigt. Verfolger Bensheim/Auerbach wurde in einer dramatischen Schlussphase mit 21:20 geschlagen. Der Abstand auf die „Nicht-Play-Off-Plätze“ auf sechs Punkte erhöht. Hess steuerte fünf Tore zu diesem wichtigen Erfolgserlebnis bei und erschien in einer Phase, als wenig lief beim TVM, als große Motivatorin. Und bei all den Zielen und Träumen, die das mittlerweile groß gewordene Mädchen verfolgt, erscheint eines immer mehr realistisch. Ein Aufstiegsendspiel in der Giessener Sporthalle Ost – nur einen Steinwurf vom Philosophikum eins, ihrem Campus, entfernt.
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