Ernüchternde 30:36-Niederlage in Bald-Wildungen
Torwartproblem ersichtlich
Schrödel: „Auch wir müssen uns hinterfragen”

Als Dr. Jürgen Gerlach auf der Pressekonferenz im voll gepackten VIP-Raum für sein Fehlen entschuldigt wurde, machten laute „Buh-Rufe” die Runde. „Feigling”, schrie sogar ein Fan, der nur allzu gerne ein Statement des „Handball-Gurus”, wie Gerlach in der Bad-Wildunger Sporthalle der Enseschule angekündigt wurde, gehört hätte. Doch das Fernbleiben des Handballtrainers des Frauenzweitligisten TV 05 Mainzlar hatte nichts mit der ernüchternden 30:36 (10:14) Niederlage bei einer stark auftrumpfenden HSG Bad-Wildungen/Friedrichstein/Bergheim zu tun. Nein, nachdem Linksaußenspielerin Sophia Bepler in der Anfangsphase einer durchweg einseitigen Begegnung mit dem Kopf auf den harten Hallenboden knallte, musste sie später aufgrund von Sehstörung möglichst schnell zu weiteren Untersuchungen ins Krankenhaus gebracht werden.

Beplers Unfall war nicht das einzige Missgeschick an einem Samstagabend, der den mitgereisten Freunden des TVM einmal mehr vor Augen hielt, wie weit die Spitzengruppe der zweiten Bundesliga tatsächlich entfernt ist. Die Staufenbergerinnen übertrumpften sich mannschaftsintern mit Flüchtigkeitsfehlern und spielerischen Unzulänglichkeiten, die in dieser Hülle und Fülle eher Seltenheitswert haben. In der letztlich entscheidenden Anfangsphase taumelte Mainzlar nervös in die Niederlage. Nach sechs Minuten warf Nina Hess einen Siebenmeter ohne Effet, Kraft und Präzision auf das Tor der bärenstarken Danja Lersch, die kaum Mühe hatte das „Würfchen” zu entschärfen. 3:0 führte die HSG vor 800 (!) Zuschauern in der modernen Halle ohne dabei geglänzt zu haben. Denn nicht nur Hess versagte vom Siebenmeterpunkt. Zuvor ließ Ruta Latakaite (Teammanager Mario Schrödel: „Bei ihr muss wesentlich mehr kommen”) die bestmöglichste Chance aus und Desiree Euler brachte gar das Kunststück fertig, die Kugel neben das Tor zu setzen. „Wir waren irgendwie langsam und nervös. So kann man hier nicht gewinnen. Das war ganz schwach. Zudem haben wir ständig unsere Taktik geändert. Die Idee von Jürgen war gut, doch wir haben es schlecht umgesetzt”, kritisierte Mainzlars flinke Außenspielerin Andrijana Atanasoska, die selbst gehemmt wirkte, später mit belegter Stimme. Wie viele ihrer Mitstreiterinnen plagte sich die Mazedonierin in der vorangegangenen Trainingswoche mit einem grippalen Infekt herum. Die Nachwirkungen waren deutlich spürbar – sofern die Konzentrationsmängel im Aufbauspiel mit gesundheitlichen Aspekten begründbar sind.

Mainzlar versuchte der individuellen Klasse der Gastgeberinnen, die mit Christina Mihai und Vilte Duknauskaite eine enorme Schlagkraft im Rückraum besitzen, beizukommen. Doch Bad-Wildungen schaffte es die Deckung ein ums andere Mal zu narren und den TVM durch ein cleveres und schnelles Rückzugsverhalten in den Positionsangriff zu zwingen. Gegen die groß gewachsenen Nordhessinnen hatten die kleinen Mainzlarerinnen kaum eine Chance. „Wir haben sehr gut gearbeitet. Es war härter als es vielleicht aussah, denn Mainzlar hat nicht aufgesteckt und alles versucht”, meinte Miranda Robben. Die Großcousine von Bayern Münchens Topspieler Arijen brachte es mit dieser Aussage auf den Punkt: viel probiert und nichts erreicht. Nur als Hess in der zwölften Minute mit einem präzisen Schuss aus der zentralen Position auf 4:5 verkürzte, waren die Gerlach-Schützlinge nah dran. Ein Doppelpack von Sabine Kirmse kurz vor der Pause sorgte für die Bad-Wildunger 14:9-Führung. „In der ersten Halbzeit war es sehr dünn von uns. Vor allem hat sich wieder einmal bemerkbar gemacht, dass wir ein Problem im Tor haben”, sagte Schrödel später. Denn während Lersch bei der HSG 20 Paraden bot, wirkte Gainskyte mit sechs gehaltenen Bällen schwach.

Andrijana Atanasoska gelang drei Minuten nach dem Seitenwechsel zwar das 13:15 – doch die HSG fand schnell die passende Antwort und zog durch Mihai und Horn auf 10:15 (39.) davon. Das Spiel war gelaufen. Mainzlars kämpferische Bemühungen waren umsonst. Schrödel machte aus seiner Enttäuschung kein Geheimnis: „Wir haben bei einer Mannschaft verloren, die keineswegs überragend war. Das hat auch viel mit dem Kopf zu tun. Auch wir als Sportliche Leitung müssen uns hinterfragen. Vielleicht erwarten wir zuviel von den Spielerinnen. Jedenfalls wirken sie überfordert.” Eine treffende Analyse, die durch ein klares Bild verdeutlicht wird. Denn nach dem Schlusspfiff stand Mainzlars junge Torhüterin Ann-Cathrin Giegerich, die völlig schuldlos an der Niederlage war, weinend an der Seitenlinie. Drei Niederlagen in Serie haben beim TVM deutliche Spuren hinterlassen. Nur gut, dass sich Sophia Bepler „nur” eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. „Die schlimmen Befürchtungen, die wir hatten, haben sich Gott sei dank nicht bestätig”, hatte auch Schrödel am späten Samstagabend wenigstens einen Grund zur Freude.

HSG Bad-Wildungen/Friedrichstein/Bergheim:
Lersch, Keim; Kleimann (3), Heusdens (6), Kirmse (7), Pollmer (1), Mühlhausen, Lorenz, Horn (4), Duknauskaite (3), Mayfath, Josefiak (2), Mihai (6/2), Robben (4).

TV 05 Mainzlar:
Gainskyte, Giegerich; Latakaite (4), Müller (1), Andrijana Atanasoska (6/2), Matilda Atanasoka (1/1), Hess (5), Bepler (7), Budecevic, Wagner, Euler (2), Schmitt (4).

Im Stenogramm

Schiedsrichter: Daßler/Günther (Zwönitz)
Zuschauer: 800
Zeitstrafen: 2:0 Minuten
Siebenmeter: 2/2:7/3

Torschützenliste – 8. Spieltag

Atanasoska, Andrijana 48 / 4
Hess, Nina 45 / 20
Atanasoska, Matilda 30 / 3
Latakaite, Ruta 29 / 5
Bepler, Sophia 28
Schmitt, Laura 21
Euler, Desiree 16
Budecevic, Marina 5
Müller, Karoline 3
Deuster, Vanessa 1
Tuschen, Eva 1
Wagner, Katharina 1